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Hintergrund

Geschichtlicher Hintergrund

Zielgruppe des Öffnungsprozesses ist eine Generation von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans*, inter* und queeren Menschen, die einerseits mit Ablehnung, Ausgrenzung und Gewalterfahrung aufgewachsen ist, andererseits in den letzten Jahrzehnten zunehmend selbstbewusster für ihre Rechte eingetreten ist. Wichtige Meilensteine und Erfolge waren für sie u. a. die Aussetzung der Strafverfolgung von gleichgeschlechtlichem Sex unter Männern, nach § 175 im Jahr 1969, dessen Streichung 1994 und die Einführung der „Ehe für Alle“ 2017. Trans*-Aktivist*innen klagten erfolgreich gegen die Bedingung  der Ehescheidung und die unfreiwillige Unfruchtbarkeit (2009) sowie intergeschlechtliche Menschen für ihre rechtliche Anerkennung (2013, 2019 und 2021) mit dem Recht auf unversehrte intergeschlechtliche Körperlichkeit.

Trotzdem sehen sich Trans*, Inter* und queere Menschen auch heute noch weit entfernt von geschlechtlicher Selbstbestimmung und kämpfen weiterhin für gesetzliche Reformen, gesellschaftliche Teilhabe und um die körperliche Unversehrtheit und Anerkennung ihrer Identitäten. Zwischen diesen Teilerfolgen lagen Jahre und Jahrzehnte, dies zeigt, wie langwierig und oft mühsam der Weg zu gesellschaftlicher Gleichbehandlung für die heutigen LSBTIQ*-Senior*innen war und teilweise noch ist. Aktuell sind sie mit einer nicht weniger wichtigen Frage konfrontiert: Wie ist ein selbstbestimmtes Leben im Alter möglich? Insbesondere dann, wenn man auf Hilfe von außen angewiesen ist. Der Blick fällt dabei schnell auf die Einrichtungen der institutionellen Altenhilfe. Sind Pflegeheime oder ambulante Dienste auf LSBTIQ* als Zielgruppe vorbereitet?

Furcht vor erneuter Diskriminierung

Aufgrund häufigerer Kinderlosigkeit bzw. geringerer Unterstützung der Herkunftsfamilie sind viele LSTBIQ* im Alter meist besonders stark auf professionelle Angebote der Altenhilfe angewiesen. Aus den bisher vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchungen zu dem Thema geht jedoch hervor, dass viele LSBTIQ* gegenüber den herkömmlichen Angeboten der Altenhilfe skeptisch eingestellt sind. Prägende Lebenserfahrungen von Ausgrenzung und Ablehnung haben nicht selten großes Misstrauen gegenüber Institutionen zur Folge, die nicht explizit den Schutz und die Akzeptanz von Community-Angeboten bieten.

Sind queere Senior*innen etwa auf ein Pflegeheim angewiesen, ziehen sie sich dort zunehmend zurück oder bleiben gar unsichtbar. Die eigene Identität wird aus Angst vor Zurückweisung oft verborgen gehalten. Eine an der Biografie ausgerichtete Langzeitpflege und eine offene Kommunikation sind in diesem Fall kaum möglich. Es ist daher wenig verwunderlich, dass viele Mitarbeitende von Pflege- und Betreuungseinrichtungen glauben, keine LSBTIQ* Bewohner*innen oder Kund*innen zu kennen, und folglich auch keine besonderen Angebote bereithalten.